von Kristin Kolberg

Interview zum Bibliotheksprojekt

Einleitung
Bei dem Projekt handelt es sich um einen regelmäßig stattfindenden Ausflug mit Kindern über 3 Jahren eines Kölner Naturkindergartens in eine nahegelegene Bibliothek. Geleitet wird das Projekt von einer Kindheitspädagogin. Bei dem Interview wollte ich vor allem herausfinden, was Kinder an Büchern interessiert und wie eine pädagogische Begleitung von Kindern in Bezug auf Zugang zu Büchern aussehen kann.

Meine erste Frage ist erstmal, worum handelt es sich bei diesem Projekt und wie ist es eigentlich entstanden? Magst du da mal von erzählen?

Ja, ich mag ganz gerne davon erzählen (lacht), wie das entstanden ist. Ich weiß es gar nicht mehr ganz genau, ich weiß nur, dass die Kinder bei uns an Themen interessiert waren, zu denen ich gar keine Literatur, keine Kinderliteratur zu hatte. Also auch Sachbücher und ich hab mir dann überlegt, dass ich es schön fände, wenn Kinder sich überlegen können, für was sie sich interessieren und dass sie selbständig einfach einen Zugang dazu finden. Und wie machen wir Erwachsenen das? Wie kriegen wir den Zugang hin? Indem man beispielsweise in die Bücherei geht und sich die Literatur sucht, auf die man irgendwie Lust hat, die Dinge raussucht, die einen interessieren. Wir haben auch eine kleine Bücherei bei uns in der Kita, allerdings finde ich ganz schön auch einfach den Kindern zu ermöglichen, zu sehen, wie funktioniert das, wie machen die Erwachsenen das denn? Wie kommen die an Literatur ran? Ja und dann habe ich mir das Projekt eben überlegt.

Bei dem Projekt ist es so, dass ich mit fünf Kindergartenkindern und einer weiteren Begleitperson in die Bücherei in […] fahre, weil wir da auch eine gute Busverbindung haben. Und dann geben wir am Anfang immer Bücher ab, wenn wir Bücher abzugeben haben, dann sind wir erstmal an diesem Schalter und die Kinder legen die Bücher auf den Automaten und sehen wie die Bücher eingebongt werden. Die Vereinbarung mit den Kindern ist, dass sich jedes Kind zwei Bücher aussuchen kann und dann gehen die Kinder in die Kinderabteilung. Den Kindern, die zum ersten Mal dabei sind, zeige ich dann erstmal, wo die Kinderabteilung ist und wo die Kinderbücher und verschiedenen Abteilungen zu finden sind.

Und die Kinder bewegen sich dann da. Da gibt es auch so Waggons, wo die Kinder sich schon mal zurückziehen können mit den Büchern, die sie sich ausgesucht haben und schauen können. Die müssen ja auch Entscheidungen treffen, mir war es ein Anliegen, dass das nicht so willkürlich stattfindet und die Kinder sich alles mitnehmen, sondern sie sollen sich wirklich entscheiden, welche zwei Bücher es werden sollen. Vom Zeitumfang sind wir etwa ne Dreiviertelstunde bis Stunde da und währenddessen entscheiden die Kinder, welche Bücher es sein sollen. Ich unterstütze die Kinder dann auch dabei, wenn sie mal was vorgelesen haben wollen zum Beispiel. Dabei reglementiere ich aber nicht bei den Büchern, die die Kinder sich aussuchen. Es kommt schon vor, dass dann mal ein Buch mit Feen oder Lego oder was auch immer ausgesucht wird, dann nehmen die Kinder sich das und ich sage da nicht, das ist ein Buch für z. B. Schulkinder oder das passt jetzt nicht für dich. Egal welches Buch, die Kinder können sich alles nehmen, was ihr Interesse weckt.

 

Okay, und ermutigst du die Kinder auch zu bestimmten Büchern oder hältst du dich eher zurück?

Das kommt darauf an, welches Kind ich vor mir habe. Es gibt auch Kinder, die gehen nicht direkt drauf los und wollen das und das haben. Die überlegen dann noch und da unterstütze ich schon und geh mit den Kindern auch mal Bücher durch. Und ich schaue in der Zeit auch selbst nach Büchern, weil wir haben ja auch immer bestimmte Themen in der Kita und dann darf ich mir natürlich auch Bücher aussuchen (lacht). Dann werden es aber vielleicht auch mal ein Buch mehr (lacht).

Ja, wenn wir dann wieder in der Kita angekommen sind, geht es noch weiter. Dann gestalte ich entweder am gleichen Tag oder am nächsten Tag einen Sitzkreis mit den Kindern, wo die Kinder ihre Bücher vorstellen können, die sie sich ausgesucht haben. Das heißt, wir sitzen alle im Kreis, am Anfang habe ich noch eine Klangschale und die Bücher werden dann in einem Rolli reingefahren und die Kinder präsentieren dann die Bücher, damit die Kinder, die nicht mit in der Bücherei waren wissen, welche Bücher denn jetzt da sind. Die Kinder erzählen dann auch, warum sie sich die Bücher ausgesucht haben, was da ihr Interesse geweckt hat. Und im Anschluss machen wir eine Art Lesezirkel – das machen wir im Bewegungsraum. Zeitlich ist das auch individuell. Da tun sich die Kinder in Zweier- oder Dreiergruppen zusammen und schauen sich ein Buch jeweils gemeinsam an. Bevor das beginnt, lese ich eingangs auch nochmal ein Buch vor.

[…] Ja und die nächsten Tage können die Kinder die Bücher immer wieder rausholen und wir schauen die dann zusammen an. Dabei vermitteln wir aber auch einen besonderen Umgang, da es sich ja um ausgeliehene Bücher handelt und die Bücher einen besonderen Stellenwert haben. Es ist mir natürlich ein Anliegen, dass die Kinder selbständig an die Bücher rankommen, aber wir haben auch Vereinbarungen, die sich auf alle Bücher in der Einrichtung beziehen, zum Beispiel dass keine Seiten rausgerissen werden, nicht reingemalt wird oder nicht darauf getreten wird. Die Regeln gehe ich auch eingangs immer nochmal durch, aber da sind die Kinder auch echt, das machen die großartig. Und die freuen sich auch immer richtig darauf und fragen auch nach, wann es wieder in die Bücherei geht.

 

Und dann hast du ja gerade erzählt, dass die Kinder die Bücher vorstellen und erzählen, warum sie sich die Bücher ausgesucht haben. Was ist da so deine Erfahrung oder Einschätzung, warum sich Kinder bestimmte Bücher aussuchen?

Es kommt drauf an, in welchem Alter die Kinder sind. Sachbücher wie „Was ist Was?“, solche Bücher, wo über ein Thema ein Einblick gegeben wird, was wie funktioniert, da interessieren sich vielleicht eher die Vorschulkinder für. Zu sehen, da sind Dinge wie Wikinger, Pflanzen, Dinosaurier abgebildet, oder wir hatten auch mal das Thema Vulkane, das kann dann aufgegriffen werden und das besprechen wir dann auch in der Kita und ich merke, das ist ein Thema, was vorher schon besprochen wurde und im Raum stand oder worauf sie von sich aus Lust haben, was sie vielleicht von zu Hause aus mitbringen oder was ihre Interessenfelder sind. Bilderbücher auch, Bücher mit kurzen Geschichten, je nachdem auch, wo das Kind herkommt, wenn das Kind viel mit Medien zu Hause schon im Vorfeld zu tun hat, sprich Kinderserien zum Beispiel guckt, dann sind das auch oft Bücher, die eine Adaption von Serien sind, wie beispielsweise „Lego Ninjago“, das suchen die sich dann aus und da sage ich jetzt auch nicht, „Da geht es ja um Kämpfen, was soll das“ so gar nicht, sondern toll, du hast da Interesse dran und natürlich nehmen wir das mit, ich lese dir das gerne vor und wir können das sehr gerne zusammen durchgehen.

Ansonsten viel auch, obwohl ich das gar nicht so gendergetrennt betrachten möchte, ist es so, dass z. B. Feenbücher oder Bücher, wo Paläste und Schlösser drauf sind, die eher von Mädchen ausgesucht werden. Da geht es auch viel um die Ästhetik, dass auch geguckt wird, wenn man das Buch in der Hand hat, wie ist die Haptik von Büchern, poppt da irgendwas auf, glitzert das, wie fühlt sich das an. Es gibt auch Bücher, wo Felle oder Stoffe verarbeitet sind, das ist natürlich auch ganz spannend. Da werden einfach nochmal andere Sinne angesprochen, da findet dann eben noch etwas Taktiles statt. Auch wenn ein Kind das jetzt nicht so differenziert formulieren würde. Ja dann auch, wie sind die Illustrationen, wie groß ist das Buch, wie fühlen sich die Seiten an. Ich glaube tatsächlich, es kommt auch darauf an, wie du den Kindern ermöglichst, an Literatur heranzukommen. Lese ich die ganze Zeit nur etwas vor und lasse das Kind gar nicht an das Buch ran und bin eher direktiv und lese das einfach vor, aber Kinder wollen ja immer gucken und nah dran sein, visuell angesprochen werden und sehen, wie sieht die Geschichte eigentlich aus? Wenn ich den Kindern auch etwas in der Kita vorlese, habe ich eine bestimmte Leseposition, ich sitze seitlich und die Kinder sitzen im Halbkreis um mich herum, sodass eben jedes Kind etwas sehen kann. Ganz schön finde ich auch die Position, wenn wir nicht so viele Kinder sind, wenn wir uns alle auf den Bauch legen, die Köpfe zusammengesteckt vor dem Buch liegen und zusammen in das Buch schauen.

 

Und was denkst du, wie das Projekt bei den Kindern ankommt?

Also ich merke schon, dass es etwas Besonderes für die Kinder ist, alleine schon das gemeinsame Hinfahren, mit dem Bus, wir achten aufeinander, das sind ja ganz viele Dinge, die da passieren bei diesem Ausflug. Und besonders auch beim Ausleihen, dass die Kinder selbständig die Bücher da hinlegen, damit die eingescannt werden und wenn die Kinder ihren Rucksack dabeihaben, möchten die natürlich auch ihre Bücher in ihren Rucksack tun und die transportieren.

Was wir auch machen, es gibt ja so Kochbücher auch mit Bildern von jetzt zum Beispiel „Pettersson und Findus“, auch eine Geschichte, die man aus den Medien kennt und wenn wir davon ein Kochbuch haben, natürlich kochen wir dann auch etwas daraus in der Kita, also mir ist auch wichtig, dass die Bücher auch genutzt werden und sich damit beschäftigt wird. Letztens hatten wir auch ein Buch, sowas wie „Prinzessin Lillifee“ und da waren ganz viele Schlösser drin und da hat eine Kollegin von mir, ganz toll auch, ist hingegangen und hat mit den Kindern im Atelier Schlösser gemalt und das Thema eben auf diese Weise aufgegriffen. Weil die Kinder da auch Lust drauf hatten, Schlösser selbst zu malen. Also das Projekt macht mir auch sehr viel Freude.

 

Wir wären dann jetzt am Ende des Interviews. Gibt es noch etwas, was du gerne teilen würdest oder was dir noch wichtig ist?

Nee, ich glaube das ist eigentlich alles. Obwohl ich könnte dir noch eine kleine Anekdote erzählen. Ich hatte mal ein Buch in der Hand und ich habe das Buch den Kindern vorgelesen, ohne dass ich es vorher gelesen hatte. Und mir ist da sehr ein bestimmtes Gender- Rollenklischee sehr stark aufgefallen, wirklich sehr stark aufgefallen und wollte das schon gar nicht mehr weiterlesen. Ich habe das dann natürlich weitergelesen, habe aber auch direkt den Kindern die andere Seite aufgemacht. Also ich habe das mit den Kindern gelesen, habe aber auch aufgemacht, wie es eben auch sein kann und versucht, das Bild, das in diesem Bild vermittelt wird, wieder aufzulockern und eine Gegenseite zu zeigen. Weil ich die Darstellung da wirklich nicht gut fand. Das war auch interessant, weil ich da auch mit mir in einen Zwiespalt gekommen bin. Trotzdem habe ich das gelesen, weil ich da auch kein Geheimnis drum machen wollte, die Kinder sollen ja auch lernen, die Seite gibt es, aber eben auch die andere Seite. Das habe ich dann halt auch noch aufgemacht. Ich will auch nicht stigmatisieren und nichts ausschließen. Da eben zu zeigen, neben diesen Gedanken gibt es auch noch andere Gedanken. Und das ist auch gut. Ja, ich glaube das war es so.

 

Dann vielen Dank!

Sehr gerne.