Was ist Studieren?

Im Jahr 2012 haben wir begonnen. Wir wollten herausfinden:
Wie könnte eine inklusive Pädagogik, eine inklusive Hochschule, eine inklusive Gesellschaft aussehen?

Wir haben dieses Suchen Forum Inklusive Bildung genannt.

Eine Studierende hält fest: „Bildung als inklusiv zu denken, scheint mir vor allem dann nur möglich,
wenn weiterhin Stimmen zu Wort kommen, die erzählen und teilhaben lassen an bisher unbekannten Perspektiven.
Um diesen Stimmen Raum zu geben, müssen wir auch tatsächlich einen physischen Raum schaffen.“ (Ingrid)

Es gibt eine türkische Redensart. Sie beschreibt das Herumschwirren von Gedanken im Kopf; so viele, es fällt schwer, sie zu greifen und im Blick zu behalten.
Dazu sagt man: „Kafam çorba. Mein Kopf, eine Suppe“.

Wissen ist so verschieden.
Wir suchen Wissen.
Wir finden Wissen.
Wir formen Wissen.
Wir fühlen Wissen
Wir suchen das Neue.

Das ist Studieren.

„Manchmal können wir erst Jahrzehnte später sehen, was als Senfkorn im Denken angelegt war.
Was aus den Farben des Senfkorns wird, das können wir mit diesem Wissen aber heute schon mitgestalten.“ (Bodrožič, 2022)

In ihren Poetikvorlesungen hat Marica Bodrožić uns ihr Innen und das Außen offengelegt.
Sie hat von Verletzlichkeit, Gnade und Wildheit gelesen;

drei Elemente, die das ‚Grundgerüst ihres Liebens und Denkens‘ sind.

Auch in weiteren Büchern gibt es Inspiration zu finden.
Neuen Stimmen zuzuhören..

Verbindungen.zu.finden.

So eröffnet uns Simone Scharbert einen Blick auf wenig sichtbare Lebensweisen.  

Rosa:
„Wer kennt schon sein Ich.
Weiß genau, was sich dahinter verbirgt.
Woraus es besteht.
Wo seine Grenzen sind.“ (Scharbert)

Und Alice: 
„deine sprache wächst aus dir,
ein flor aus wörternwuchert in alle richtungen,
und du lässt es zu,
wirst selbst sprache,
murmelst die worte,
die sätze mit..“ 
(Scharbert)

Auch Sinthujan Varatharajah verändert die Blickrichtung.
„Ich denke daran, wie eine Erzählung von der anderen abweichen kann und auf eine andere Weltgeschichte,
auf ein anderes Weltgefühl hindeuten kann.“ (Varatharajah)

Sharon Dodua Otoo sammelt Schweigen. Mit Heinrich Böll.
Sie findet Schnipsel der Stille. Stille Post.
„Ich weiß es nicht. Ich weiß es. nicht?“ (Otoo)

„Die Welt ist ein Stoff, an dem wir tagtäglich weben.“ schreibt Olga Tokarczuk.

„Nimmt das Erzählte einen anderen Lauf, so ändert sich der Lauf der Welt.
In diesem Sinne ist die Welt aus Wörtern geschaffen.“ (Tokarczuk)

Chimamanda Adichie zeigt die Macht von Erzählungen:
„So kreiert man also eine einzige Geschichte, man zeigt eine Seite eines Volkes, und nur diese eine Seite, immer und immer wieder,
und dann wird diese Seite zur Identität“. (Adichie)

Die Geschichte wird zur einzigen Erzählung, zur single story.

Studieren ist keine single story. Es braucht viele, unterschiedliche, mehrere Betrachtungsweisen.

Studieren als individueller und dennoch gemeinschaftlich gestalteter Prozess des Suchens, der Bildung.

Alles ist miteinander verwoben, hat nicht Anfang und Ende, kein zuerst und danach,
sondern verläuft nebeneinander und durcheinander. Gleichzeitig.

Ein Rhizom.

Takako Saito versteht Bücher als Objekte einer gebundenen, poetischen Performance, sie sind nicht nur aufeinanderfolgende Seiten, zusammengebundene Blätter. Sie sind Anlass für Kommunikation, Austausch, Begegnung…

 „Wundern, wagen, Wege finden“… Andrea Karimé schreibt Kinderbücher.
Ihre Sprache ist Meersprachigkeit.

„Nehmt euch Wörter, nehmt euch mehr
Wörter Wörter
Himmelörter
Puddingblumen
Bitte sehr“

„Wo ist der Ort in meinem Wort?
Es ist ein Raum, groß genug für einen Wunsch, eine Geschichte oder einen Traum.”… schreibt ein Studierender.

So erklingen laute, leise, vertraute, unbekannte, nahe, ferne und gemeinschaftliche Stimmen. Sie finden Orte. Sie tönen allein und miteinander, wachsen, fragen, schwirren herum – und manchmal schweigen sie auch …als Teil einer Suppe, von der genug für alle da ist.

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