von Ronja Reichert
Autorin: Katya Balen
Titel: Mein Bruder und ich und das ganze Universum
Herausgeber: Carlsen Verlag
Datum der Erstveröffentlichung: 30. August 2019
Buchlänge: 208 Seiten
Titel der Originalausgabe: The Space we`re in
ISBN: 978-3-551-55761-2
Preis: HC 13,00€ / eBook 8,99€
Der zehnjährige Frank liebt seinen jüngeren Bruder Max von ganzem Herzen, aber manchmal wünscht er sich, dass dieser nie geboren worden wäre – denn das Leben mit einem Geschwisterkind hat er sich eigentlich ganz anders vorgestellt. Max hat die Diagnose ‚Autismus‘ und kann mit Veränderungen, die beispielsweise sein Abendessen oder seine Kleidung betreffen, nicht gut umgehen. Er fordert extrem viel Aufmerksamkeit von seinen Eltern, weswegen sich Frank oft ignoriert oder ausgeschlossen fühlt. Dann kommt er auch noch auf eine neue Schule, wo ihn seine Mitschüler wegen seines Bruders hänseln. Tatsächlich wird es ihm sogar mehr und mehr peinlich, wie sein Bruder sich verhält, bis eine Tragödie über die Familie hereinbricht, die nicht nur sein Herz endgültig zu zerreißen droht.
Frank hat ein ganz besonderes Interesse an Geheimcodes und Chiffrierungen. Ob es sich nun um einen kleinen liebevollen Austausch mit seiner Mutter handelt, die ihm das Morsealphabet beigebracht hat oder um Botschaften, die er mit seinen besten Freunden teilt– sein größter Wunsch wäre es, dass er es irgendwann schafft, seinen ganz eigenen ultimativen Geheimcode zu entwerfen. Wichtige Nachrichten ver- schlüsselt er mit der Zahlenspirale, die man ganz vorne im Buch findet. Die Kapitel- überschriften sind mit dieser Methode verschlüsselt worden und mit Hilfe der Zahlenspirale kann man diese entschlüsseln. Auf diese Weise wird man schnell von Franks Leidenschaft angesteckt!
Die Geschichte wird sehr authentisch aus Franks Perspektive erzählt, meist sehr impulsiv und emotional aus dem Moment heraus. Dieser Erzählstil sorgt für hohe Identifikationsmöglichkeiten, da man in die Geschichte aus Sicht eines Zehnjährigen
eintauchen kann. Auch die Erzähler*innensicht – aus der Perspektive eines Geschwisterkindes einer Autist*in – ist eine sehr interessante und außergewöhnliche. Katya Balen hat Frank eine Stimme gegeben, einem Kind, das sonst zu wenig zur Sprache kommt. Und sie hat ihm sämtliche Gefühle zugestanden: die voller Liebe Max und der ganzen Welt gegenüber, aber auch die voller Hass. Beim Lesen muss man manchmal vielleicht schlucken, aber gerade diese Bandbreite von Gefühlen macht diese Geschichte so besonders und authentisch.
Meiner Meinung nach ist „Mein Bruder und ich und das ganze Universum“ ein sehr feinfühliges, ergreifendes und absolut bildlich zu erlebendes Buch, das die wundervolle Geschichte einer ganz besonderen Bruderliebe erzählt. Es handelt von Unterschiedlichkeit im Sinne von Vielfalt und davon, was es heißt, zu lieben, zu trauern und wütend zu sein.